Aus Baugewerbe Unternehmermagazin 4\2020
Rechtstipp: Keine vorkalkulatorische Preisfortschreibung!
Ein neuer Preis im Sinne des § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B bei Mengenänderungen von mehr als zehn Prozent ist nicht auf Grundlage einer vorkalkulatorischen Preisfortschreibung, sondern unter Berücksichtigung der tatsächlichen Kosten zu bilden.
Der Sachverhalt
Der Auftraggeber beauftragt den Auftragnehmer unter Einbeziehung der VOB Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB/B) mit Abbrucharbeiten. Der Auftragnehmer hatte für die Entsorgung von Bauschutt für die vorgegebene Menge von einer Tonne einen Einheitspreis (EP) von 462 Euro pro Tonne angeboten. Nach Angaben des Auftragnehmers hat er dafür in seiner Urkalkulation Verladekosten, Deponie- und Transportkosten und Kosten für die Containerstellung angesetzt und auf diese einen Zuschlag von 20 Prozent Fremdkosten aufgeschlagen. Anstatt der ausgeschriebenen Menge von einer Tonne mussten 83,92 Tonnen belastetes Material entsorgt werden. Der Auftragnehmer verlangte den vereinbarten EP. Der Auftraggeber verlangte aufgrund der Mehrmengen die Vereinbarung eines neuen EP und Auskunft über die tatsächlichen Kosten. Letzterem kam der Auftragnehmer nach und teilte die ihm entstandenen Kosten mit. Auf dieser Grundlage und unter Berücksichtigung eines Zuschlags für Fremdkosten von 20 Prozent errechnete der Auftraggeber einen neuen EP in Höhe von 109,88 Euro pro Tonne. Eine Einigung kam nicht zustande. Der Auftragnehmer erhob Klage. Das OLG Celle sprach ihm ein EP von 150,40 Euro pro Tonne für die über 110 Prozent hinausgehenden Mehrmengen zu. Der Auftragnehmer legte dagegen Revision ein.
Die Entscheidung (BGH, Urteil vom 08.08.2019, VII ZR 34/18)
Die Revision blieb ohne Erfolg. Der BGH stellt klar, dass der Auftraggeber für Mengen, die den Vordersatz um mehr als zehn Prozent überschreiten, einen neuen EP verlangen kann. § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B regelt jedoch nicht, wie die Vergütungsanpassung vorzunehmen ist; eine vorkalkulatorische Preisfortschreibung sieht die Regelung nicht vor. Die VOB/B legt die Verantwortung für die neue Preisbestimmung in die Hände der Vertragsparteien. Vorliegend haben sich die Parteien darüber geeinigt, dass der vom Auftragnehmer erhobene Zuschlag in Höhe von 20 Prozent auf Fremdkosten bei der Bildung eines neuen EP heranzuziehen ist. Da sich die Parteien aber auf einen weiteren Maßstab nicht einigen konnten, enthält der Vertrag eine Lücke, die durch ergänzende Vertragsauslegung zu schließen ist. So ist entscheidend, was die Parteien bei angemessener Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragspartner vereinbart hätten, wenn sie den nicht geregelten Fall bedacht hätten.
Unter Abwägung der beiderseitigen Interessen ergibt sich, sofern nichts anders vereinbart, für die Bemessung eines neuen EP bei Mehrmengen, dass die tatsächlich erforderlichen Kosten der über zehn Prozent hinausgehenden Leistungsbestandteile zuzüglich angemessener Zuschläge maßgeblich sind. Der Auftragnehmer erhält dadurch eine auskömmliche Vergütung.
Die Auswirkungen
Für eine neue Preisbildung sind die tatsächlichen Kosten zuzüglich eines angemessenen Zuschlags heranzuziehen. Welche tatsächlichen Kosten im Einzelfall anfallen oder wie sie ermittelt werden können, lässt der BGH offen, ebenso, was unter einem angemessenen Zuschlag zu verstehen ist. Sofern die Parteien einen neuen EP nicht nach den tatsächlichen Kosten berechnen wollen, müssen sie eine Vereinbarung darüber treffen.