Rechtstipp

Frederick Brüning,

Erfolgsrisiko liegt beim Auftragnehmer!

Wenn der mit dem Vertrag verfolgte Herstellungszweck eines Werks nicht erreicht wird und das Werk seine vorausgesetzte Funktion nicht erfüllt, liegt ein Sachmangel i.S.v. § 13 Abs. 1 Nr. 2 VOB/B vor. Welcher Zweck nach dem Vertrag verfolgt wird und welche Funktion nach dem Vertrag vorausgesetzt wird, ist durch Auslegung zu ermitteln, wobei auch die berechtigte Erwartung des Bestellers an die Werkleistung zu berücksichtigen ist. OLG Schleswig, Urteil vom 16.11.2021, Az.: 7 U 185/1922

Sachverhalt

Frederick Brüning © Frederick Brüning

Der Betreiber einer Biogasanlage schließt mit einem Unternehmer einen VOB/B-Vertrag mit einer fünfjährigen Gewährleistungsfrist über die Erstellung zweier Behälter zur Erweiterung seiner Anlage. Diese sollen im Innenbereich mit einem "gegen Substrat und aggressive Gase" beständigen Schutzanstrich versehen werden. Eine konkrete Vorgabe für die Beschichtung wurde nicht gemacht. Der Unternehmer brachte dann einen Schutzanstrich der Fa. X auf. Die Arbeiten wurden von dem Betreiber auch abgenommen und bezahlt. Anschließend kam es zum Austritt von gelagerten Substraten und Betonschwundrissen, da sich die Beschichtung als nicht hinreichend säurebeständig erwies. Nachdem der Unternehmer die Mängelbeseitigung verweigert hatte, nahm der Betreiber die Nachbesserung selbst vor und macht die ihm hierbei entstandenen Kosten von rund 170.000 Euro geltend. Der Unternehmer wendete ein, dass die Vorgaben des Betreibers keine säurebeständige Beschichtung vorgesehen hätten.

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Entscheidung

Die Beschichtung der Behälter ist mangelhaft, da sie die vertraglich vorausgesetzte Funktion, nämlich die hinreichende Säurebeständigkeit der Behälter zumindest für die Dauer der fünfjährigen Gewährleistungsfrist herbeizuführen, nicht erfüllt. Ein Planungsverschulden des Betreibers liegt demgegenüber nicht vor, da die Ausschreibung rein funktional ohne konkrete Materialvorgaben erfolgte. Die fehlende Erwähnung des Begriffs "Säure" in der Anfrage hindert nicht die Annahme eines Mangels, denn es handelt sich um eine funktionale Baubeschreibung ohne konkrete Materialvorgabe.

Praxishinweis

Mit dem Abschluss des Werkvertrags verpflichtet sich der Unternehmer, den Werkerfolg herbeizuführen, das heißt insbesondere, ein die vertraglich vereinbarte Funktion erfüllendes Werk herzustellen. Solange nicht ausdrücklich etwas Abweichendes vereinbart wird, übernimmt der Unternehmer mit Vertragsabschluss das Erfolgsrisiko. An eine etwaige Risikoverlagerung auf den Auftraggeber sind grundsätzlich hohe Anforderungen zu stellen. Selbst wenn die Vorgaben des Leistungsverzeichnisses zur technischen Ausführung oder zu dem zu verwendenden Material die Gefahr von Funktionsbeeinträchtigungen erhöhen, bedeutet dies nicht automatisch, dass der Auftraggeber den Unternehmer von seiner Gewährleistungspflicht freistellen will. Will der Unternehmer in einem solchen Fall das Erfolgsrisiko nicht tragen, muss er den Auftraggeber nach der ständigen Rechtsprechung des BGH darauf hinweisen beziehungsweise mit ihm vertraglich einen Ausschluss des Risikos vereinbaren.

Der Rechtstipp erschien in der Ausgabe 4/23

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