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Specter Automation - vom Bleistift zu BIM
In seinem Gastbeitrag beschreibt Oliver Eischet, Co-Founder von Specter Automation, wie sie herausfanden, was die Branche wirklich braucht.
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Wir befinden uns in Zeiten des Wandels. Unser Leben, unsere Berufswelt und vor allem: unsere Industrie. In den Planungs- und Architekturbüros ist ein geplanter Bau visuell fast übergenau dargestellt. Hier sieht man, wie weit die Digitalisierung eine Branche gebracht hat. Doch ist die Digitalisierung wirklich schon so weit, wenn man den gesamten Bauprozess betrachtet? Auf der Baustelle kommt davon oft wenig an. Hier wird mit Bleistift und Notizblock umgesetzt, was in den Büros in 3D-Modellen beschlossen wurde. Wir finden: Es kann nicht sein, dass eine so wichtige Industrie bei der Digitalisierung in einem Atemzug mit der Fischerei- und Jagdindustrie genannt wird.
So sind wir auf die Idee für das Start-up Specter Automation gekommen: Wenn man bedenkt, wie weit die Entwicklungen im Bereich des autonomen Fahrens fortgeschritten sind, scheint die Automatisierung von Turmdrehkränen auf der Baustelle ein logischer nächster Schritt zu sein. Kräne sind schließlich der Dreh- und Angelpunkt einer Baustelle und stehen im Zentrum der Kalkulation. Ein Kran soll idealerweise gut 20 Personen "bedienen". Das dachte anfangs zumindest unser Team. Doch die Reise nahm eine unerwartete Wendung.
Anstatt uns auf die Technologie hinter den Kränen zu konzentrieren, wurden wir mit der komplexen Herausforderung konfrontiert, die gesamte Bauausführung zu revolutionieren. Unsere ersten Gespräche mit Bauleitern und Ausführenden eröffneten uns eine Welt, die stark von manuellen Prozessen, Papierdokumenten und Kommunikationslücken geprägt ist. Es wurde klar, dass die wahre Innovation weniger in der Automatisierung von Maschinen liegt, als vielmehr in der Digitalisierung und Optimierung der Prozesse derjenigen, die diese Maschinen bedienen.
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All unsere Erwartungen waren geplatzt, als wir mit dem ersten Prototyp im Gepäck und voller Enthusiasmus unsere Technologie auf der Baustelle präsentieren wollten. Schnell erkannten wir, dass unser Ansatz fern der Realität lag und nicht ansatzweise die Herausforderungen lösen würde, mit denen Bauunternehmen konfrontiert sind. Das sind in erster Linie fundamentale Digitalisierungsthemen.
360-Grad-Wende des Geschäftsmodells
Wir mussten unseren Ansatz komplett überdenken. Anstatt Technologien aus anderen Industrien zu übertragen, gingen wir auf die Baustelle, machten uns die Hände dreckig und fingen an, von hier aus zu denken. Wir erkannten, dass unser ursprünglicher Ansatz zwar innovativ, aber zu eng fokussiert war. Die Branche benötigt keine isolierte Lösung für einen spezifischen Aspekt des Bauens, sondern eine integrierte Plattform, die Planung, Management und Ausführung verbindet. Und so die Arbeit für alle Beteiligten einfacher, planbarer und effizienter macht. Diese Erkenntnis war für uns ein Wendepunkt. Sie führte dazu, dass wir die Strategie änderten und Specter Automation neu ausrichteten. Weg von der reinen Automatisierung von Baumaschinen hin zu einer umfassenden Digitalisierungslösung für die gesamte Baustellenplanung.
Bauleiter als Produktentwickler
Bauleiter und Poliere sind nicht nur die wichtigsten Kritiker, sondern auch unsere produktivsten Entwickler. Nur wenn wir sie weiterhin überzeugen – und den Mehrwert erleben lassen – bleiben wir erfolgreich.
Die Bauindustrie ist die zweitgrößte und am zweitschlechtesten digitalisierte Industrie der Welt. Die erste Priorität: die Lücke zwischen Planung und Ausführung schließen. Interessanterweise ist nicht die gesamte Bauwertschöpfungskette schlecht digitalisiert. In der Planung von Bauvorhaben werden Unmengen an Daten in Expertensoftware erzeugt. Diese Daten finden, wenn überhaupt, nur in analoger Form den Weg auf die Baustelle.
Unsere Mission ist es, seit dieser Erkenntnis, ein Ökosystem zu schaffen, das es ermöglicht, die wertvollen Daten aus der Planungsphase nahtlos in die Ausführungsphase zu übertragen. Dabei wollen wir sicherstellen, dass diese Informationen jederzeit und überall zugänglich sind. Sei es für Ingenieure im Büro oder Arbeiter auf der Baustelle. Unsere Reise ist also weit davon entfernt, abgeschlossen zu sein; sie hat gerade erst begonnen. Aber sie ist jetzt klarer, zielgerichteter und, wie wir glauben, mit einem viel größeren Potenzial, um echte, nachhaltige Veränderungen in der Bauindustrie herbeizuführen.
Unsere Lösung: Eine Brücke zwischen Daten und Praxis
Die Herausforderung für Specter Automation besteht darin, eine im Hintergrund hochkomplexe Softwarelösung zu entwickeln, die auf den bereits existierenden Daten aufsetzt (anstatt wieder neue Datensilos zu kreieren). Dabei muss diese Software für den schnellen, einfachen und sinnvollen Gebrauch auf der Baustelle konzipiert sein.
Wir entwickelten eine Plattform, die Baupläne, Terminpläne, Leistungspositionen und andere kritische Daten von der Planungssoftware auf Computer und mobile Geräte auf der Baustelle überträgt. Dabei legen wir großen Wert auf eine intuitive Benutzeroberfläche, damit auch Menschen ohne IT-Kenntnisse effektiv und innerhalb Minuten mit der Lösung arbeiten können. So können per Klick auf ein Bauteil, Baustellen schnell und intuitiv gesteuert werden. Vor allem, weil wir wiederkehrende Organisationsarbeiten für das Baustellenteam automatisieren und somit Zeit sparen. Das Resultat: ein digitales Abbild all der Prozesse, die auf der Baustelle stattfinden – per Klick einsehbar für alle Beteiligten.
Die Reise ist noch nicht zu Ende
Unsere Reise mit Specter Automation hat uns von der Idee autonomer Kräne zu einer Mission geführt: die Bauindustrie in das digitale Zeitalter überführen. Wir haben gelernt, dass Technologie nicht im Vakuum entwickelt werden sollte. Sie muss aus den Bedürfnissen und dem Feedback der Menschen entstehen, die sie täglich nutzen. Nur so können wir einen Beitrag dazu leisten, die Bauindustrie effizienter, nachhaltiger und zukunftssicherer zu machen.
Dieser Gastbeitrag erschien zuerst in Ausgabe 10_23.