Digitaliserung in der Baubranche
BIM BIM BIM – hier klingelt kein Glöckchen im Mittelstand-Digital Zentrum Handwerk
Hinter BIM verbirgt sich eine kollaborative Arbeitsmethode, bei der alle Baubeteiligten tatsächlich mit den gleichen Unterlagen – und nicht denselben – arbeiten. Praktisch, oder? Wenn Sie jetzt noch nicht überzeugt sind und sich fragen: "Ist die BIM-Methode etwas für dasnHandwerk?", dann werden Sie am Ende dieses Beitrags die Frage ganz bestimmt mit einem "Ja" beantworten. Aber fangen wir einmal ganz vorn an. BIM – was bedeuten diese drei Buchstaben eigentlich?
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Das
B steht für Building – also das Gebäude oder Bauwerk.
I steht für Information. Hier können alle bekannten Daten des einzelnen Bauteils oder einer Gruppe hinterlegt werden. Hierzu gehören auch die geografische Lage, die Bestandteile sowie geometrische Informationen. Aber auch physikalische Eigenschaften wie Material- und Konstruktionsangaben und funktionale Eigenschaften, etwa Räume und Zonen.
M steht für das englische "modeling", dessen Übersetzung nicht eindeutig ist. So kann es für die Aktion des Modellierens stehen. Aber auch für das Ergebnis, das Modell. Manchmal auch für das Werkzeug, die Software oder die Steuerung der Anwendung im gesamten Planungs- und Bauprozess oder für das Management.
Es gibt auch offizielle, wenngleich leider nicht eindeutige, Definitionen:
- "Building Information Modeling bezeichnet eine kooperative Arbeitsmethodik, mit der auf der Grundlage digitaler Modelle eines Bauwerks die für seinen Lebenszyklus relevanten Informationen und Daten konsistent erfasst, verwaltet und in einer transparenten Kommunikation zwischen den Beteiligten ausgetauscht oder für die weitere Bearbeitung übergeben werden."
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- "Methode zur Planung, zur Ausführung und zum Betrieb von Bauwerken mit einem partnerschaftlichen Ansatz auf Grundlage einer zentrischen Bereitstellung von Informationen zur gemeinschaftlichen Nutzung."
BIM ist nicht unbedingt immer nur ein dreidimensionales Gebäude- beziehungsweise Bauwerksmodell, wie manche meinen. Das Bauwerksmodell ist vielmehr das primäre Werkzeug. Es enthält alle für das Bauwerk relevanten Daten und Informationen. So unterstützt es die visuelle und transparente Arbeitsweise. Das Modell kann durch die verschiedenen Inhalte sogar unterschiedliche Dimensionen darstellen. Neben der räumlichen Dreidimensionalen kann der zeitliche Verlauf der Erstellung eines Bauwerks simuliert werden. Damit können Sie die Planung und Steuerung von Bauablaufplänen kontrollieren und optimieren In der fünften Dimension können mithilfe des Modells die erforderlichen Mengen errechnet werden, beispielsweise zum Material- und Personalbedarf. Gleichzeitig können Sie die Kostenansätze berücksichtigen. In dieser Dimension können Sie neben der 4D-Bauablaufsimulation übrigens auch den Kostenverlauf sowie Material- und Personalganglinien simulieren. Es bietet eine hervorragende Übersicht über die wichtigen Planungsdetails in realer Zeit.
Womit wir bei der Frage sind: Warum geht BIM auch das Handwerk etwas an?
BIM steht für ganzheitliche Betrachtung des Planens, Bauens und Betreibens von Bauwerken. Das Bauwerksmodell beinhaltet unter anderem Geometriedaten, Volumen, Flächen und Materialeigenschaften. Diese sind für die Massen- und Mengenermittlung sowie zur Kalkulation unerlässlich. Die Visualisierung der Bauteile zeigt die Funktion und die Verbindung untereinander auf. Alle am Bau Beteiligten arbeiten auf Basis gleicher, immer aktueller Daten und Informationen, da alle Änderungen direkt im Gesamtmodel vorgenommen werden.
Und somit ergeben sich auch für das Handwerk eine Vielzahl von Vorteilen:
- Erhöhung der Planungssicherheit
- Vereinfachung der Qualitätskontrolle
- Verbesserung der Projektkommunikation
- Minimierung der Risiken in der Bauausführung
- Erhöhung der Kosten- und Terminsicherheit
- klarere Zuordnung von Verantwortlichkeiten
- Möglichkeiten der Visualisierung
- verbessertes Risikomanagement
- Transparenz gegenüber dem Auftraggeber und allen am Bau Beteiligten
- einfache Dokumentation in der Bauphase und Weiterverwendung aller Informationen für den Gebäudebetrieb
- unmittelbare und kontinuierliche Verfügbarkeit aller aktuellen und relevanten Daten
Demgegenüber steht, dass es ein ungleiches Verständnis zur BIM-Methode gibt und sich einige Standards noch in der Entwicklung befinden. Aber es müssen ja nicht immer EU-Standards sein. Wichtig ist: Fordern Sie von Ihrem Auftraggeber klare Vorgaben ein. Die sogenannten Auftraggeber-Informations-Anforderungen (AIA), dies ist ein Dokument, in dem der Auftraggeber die für ihn relevanten Ziele und Anwendungen und vom Auftragnehmer geforderten Leistungen und Daten beschreibt. Darüber hinaus sollte er einen detaillierten BIM-Abwicklungsplan (BAP) übergeben: ein Dokument, das die Grundlage einer BIM-basierten Zusammenarbeit im Projekt beschreibt. Dieser legt die Ziele, die organisatorischen Strukturen und die Verantwortlichkeiten fest. Kurz, der BAP stellt den Rahmen für die BIM-Leistungen, definiert die Prozesse sowie Austauschanforderungen der einzelnen Beteiligten.
Die Mitwirkung an der Methode BIM kann sich je nach Gewerk und Wünschen des Handwerkers ganz unterschiedlich gestalten und vom BIM-Nutzer bis zum BIM-Autor reichen. Die Definitionen des BIM-Nutzers und des BIM-Autors ergeben sich aus der VDI-Richtlinie 2552, Blatt 2. Der BIM-Nutzer ist ein Projektmitglied, das das Datenmodell ausschließlich zur Informationsgewinnung nutzt und dem Modell keine Daten oder Informationen hinzufügt. Er nutzt das Modell, wie schon die Papierpläne zuvor. Der BIM-Autor ist ein Projektmitglied, das das Datenmodell über den gesamten Lebenszyklus eines Bauwerks in Abstimmung mit den Informationskoordinatoren bearbeitet.
Wie kann das Datenmodell in der Angebotsphase, auf der Baustelle bis hin zur Abrechnung genutzt werden?
Betrachten wir das Beispiel, in dem die Erstellung eines Rohbaus angeboten wird, später gebaut und abgerechnet werden soll. Die notwendigen Massen werden heute im Verlaufe des Bauprojektes sehr häufig mehrfach kalkuliert. Zunächst werden die Massen händisch für das Angebot ermittelt. Dann werden diese Werte im Auftragsfall vom Bauleiter für die Bestellung noch einmal ermittelt. Und für die Abrechnung noch ein drittes Mal. Das kostet viel Zeit, und Fehler sind gerade bei größeren Bauwerken unumgänglich, da alle Planungsunterlagen gesichtet werden müssen.
Bei BIM ergibt sich die Mengen- und Massenermittlung aus dem Bauwerksdatenmodel. BIM unterstützt das große Bauunternehmen, aber auch den Handwerker in allen Projektphasen gleichermaßen. Durch einen Klick in das Cluster "Mauerwerksziegel" können Sie herausfinden, wie viel Quadratmeter Ziegel welcher Art im Gebäude eingeplant wurden. Keine Pläne wälzen und suchen, wo überhaupt was eingeplant wurde. Die Zeit, die heute in die Mehrfachkalkulation gesteckt wird, kann in wertvolle Arbeit fließen.
Das Datenmodell wird in jeder Phase mit den neuen Informationen "gefüttert". Stellen Sie sich vor, es wird – aus welchen Gründen auch immer – eine Veränderung vorgenommen. Diese Daten werden im Datenmodell hinterlegt und bei der Abrechnung können Sie sofort sehen, dass etwas anderes verbaut wurde und die Rechnung passend stellen.
Dadurch, dass die unterschiedlichen Gewerke im Modell integriert sind, können Kollisionen frühzeitig erkannt werden. Das verhindert Verzögerungen auf der Baustelle . Dazu wird das Modell der verschiedenen Gewerke übereinandergelegt. Jetzt wird sofort sichtbar, wenn es zu Kollisionen kommt. Denn das Bauwerksdatenmodel ist kein statischer Plan, es können Regeln hinterlegt werden und wenn diese nicht eingehalten werden, werden die Verstöße "gemeldet". Ein guter Weg, um Ärger mit Bauherrn oder Auftraggeber zu vermeiden.
Wie kann mit der Methode gearbeitet werden und welche Vorbereitungen müssen geschaffen werden?
Wenn Sie sich für die Einführung der BIM-Methode im Unternehmen entscheiden und die neue Arbeitsmethode ins Unternehmen holen, müssen Sie dafür Zeit und Ressourcen bereitstellen. Was jedoch nicht heißt, dass sich die Sache nicht lohnt. Ganz im Gegenteil! Aber wie immer: Am Anfang kostet es Zeit, sich mit der Arbeitsweise auseinanderzusetzen, sie zu erlernen und seine Mitarbeitenden zu schulen. Und die Frage ist wie immer, wie schnell es sich amortisiert. Der Aufwand ist abhängig davon, ob Sie als BIM-Nutzer oder BIM-Autor agieren wollen. Also ob sie weiter so mit dem Datenmodell arbeiten, wie sie heute auch mit den Papierplänen arbeiten. Oder ob Sie tatsächlich selbst Planungen erstellen möchten. Als Nutzer benötigen sie lediglich einen kostenfreien BIM-Viewer, also eine Software, mit der Sie das Datenmodell öffnen und betrachten können. Das ist einfach zu erlernen.
In dem Fall, dass Sie selbst planen möchten, benötigen Sie eine Modellierungssoftware. Bevor Sie die Entscheidung treffen, welche es werden soll, sollten Sie den gesamten Prozess betrachten. Denn durch die neue Arbeitsweise ändern sich andere Abläufe oder fallen weg. Wenn Sie dazu mehr erfahren möchten, dann gehen Sie auf unsere Internetseite handwerkdigital.de und hören Sie sich den "DigiCast | Folge 17: Erfolgreich durch BIM – Ein Handwerker und ein Bauunternehmer im Interview" an. Hier erzählen Martin Reiss (Geschäftsführer des Handwerksbetriebes Reiss Haustechnik) und Gerrit Terfehr (Geschäftsführer des Bauunternehmens Günther Terfehr), wie sie die neue Arbeitsmethode angegangen sind und warum es sich lohnt, den neuen Weg zu gehen. Selbstverständlich können Sie mit Ihren Fragen auch auf uns zukommen, das Mittelstand-Digital Zentrum Handwerk – wir freuen uns.
Dieser Artikel erschien zuerst in Ausgabe 06_23.