Volvo FMX
Nordische Kombination – gut gemeistert
Ein Schweden-Doppel als Systemvergleich – so treten die beiden neuen Volvo FMX einmal als klassischer Gliederzug und als Vierachser in der Kiesgrube und auf dem Asphalt an. Oliver Willms hat das Kipper-Duo im Einsatz getestet.
Schweden-Stahl – das hat auch auf dem Bau einen guten Namen, und zwar Volvo FMX. Das vor zwei Jahren komplett neu aufgesetzte Bau-Modell aus Göteborg glänzt mit modernsten Zutaten. Jetzt sitzt das vom Fernverkehrsmodell abgeleitete große Fahrerhaus auf dem soliden Rahmen, und die neueste Motorengeneration der potenten Sechszylinder aus dem Norden sorgt für ordentlichen Vortrieb auf und abseits der Straße. Wie sich der neue Bau-Kipper im Praxiseinsatz schlägt, haben wir mit zwei Konzepten parallel vergleichen können. Einmal der klassische 6x4 mit einem zweiachsigen Zentralachser im Schlepp, und zum anderen der FMX als 8x4-Vierachser, dessen 32 Tonnen Gesamtgewicht mit einem Zentralachser auf 40 Tonnen – oder mehr – aufgerundet werden könnte. Das macht zwar hierzulande kaum einer, aber gut zu wissen, dass der Vierachser auch als vollwertiger 40-Tonnen-Zug oder beispielsweise zum Baumaschinentransport im Stande ist.
Dem FMX als Vierachser kann man abseits der Straße durchaus mehr als nur 32 Tonnen zumuten. Mit seinem robusten Rahmenrückgrat und dem stabilem Meiller-Dreiseitenkipper auf dem Rücken verträgt er ohne Probleme mal eine Schaufel mehr Ladung. Mit einem Eigengewicht von leer 14.800 Kilogramm mit dem kurzen Fahrerhaus gehört er eindeutig zur robusten Bau-Fraktion. Nutzlaststärker gibt sich der Volvo-Dreiachser, der trotz seiner langen Kabine mit Schlafliege und Meiller-Kipper mit Bordmatik mit 12,5 Tonnen Leergewicht vergleichsweise leicht auf den grobstolligen Rädern steht.
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Ihm dürfen – selbstredend abseits öffentlicher Straßen – ohne weiteres auch 60 Tonnen Gesamtzuggewicht zugemutet werden. Damit qualifiziert er sich neben dem „täglich Brot“ des Schüttguttransportes auch zum Schleppen von schweren Baumaschinen bis hin zum Schwerlastbereich. Der Antriebsstrang ist sogar für bis zu 100 Tonnen Zuggewicht geeignet. Die gut eingeschenkten 500 PS Höchstleistung dürften auch damit zurechtkommen.
Neben den systembedingten Unterschieden zwischen drei und vier Achsen haben die beiden Test-Probanden viele Gemeinsamkeiten. Unter dem relativ hohen Motorkasten – ein Zugeständnis an das nicht zu hoch auf dem Rahmen sitzende Fahrerhaus und damit an die Einstiegshöhe – grummelt recht verhalten der D13-Sechszylinder, der 500 PS und gesunde 2.500 Newtonmeter Drehmoment aus dem Kurbelgehäuse schüttelt.
Schwerer Untergrund – kein Problem
Im Dreiachser mit Hänger ist die vergleichsweise hohe Motorleistung vor allem abseits der Piste auf schwierigen Offroad-Passagen hochwillkommen. Damit zieht der alerte FMX die Fuhre auch bei schwerem Untergrund recht souverän aus der Affäre – vor allem dann, wenn er bereits vollbeladen auf dem Weg zur Abladestelle ist. Das automatisierte I-Shift-Getriebe mit seinen zwölf Fahrstufen spielt da kongenial mit und legt im Offroad-Programm stets die passenden Gänge bereit. Die Drehzahlspanne ist geländetypisch weiter gespreizt, und der Gangwechsel erfolgt blitzschnell. So bleibt der Vortrieb auch auf tückischem Geläuf unter Zug. Sollte man trotzdem mal hängenbleiben, helfen die automatische Längssperre und die zuschaltbaren Quersperren zusammen mit dem kurz übersetzten Crawler, den Zug wieder zu mobilisieren. Der Vierachser verfügt sogar über einen noch kürzeren Ultra-Crawler: Ganz egal ob 6x4 oder 8x4 – das I-Shiftgetriebe gehört zusammen mit dem souveränen Motor zu den Sahnestückchen am Schweden-Doppel. Sogar per Gelände-Tempomat kann man auf Wunsch durch die Prärie preschen.
Im Vierachser mit solo 32 Tonnen Gesamtgewicht kann man das üppige Leistungsangebot noch sorgenfreier genießen. Kaum eine Passage, die dem Vierachser mit dem bereits ab Drehzahlkeller satt durchziehenden Antrieb tatsächlich Respekt abfordert. Mit ordentlichem Druck auf den beiden Antriebachsen und gesetzten Sperren kommt der FMX 8x4 für einen „Nichtallradler“ überraschend weit ins schwere Gelände – und auch wieder heraus. Natürlich ist irgendwann „Ende Gelände!“ für den 8x4, auf normalen Baustellen und Kiesgruben ist der Vierachser aber immer mit dabei. Etwaigen Bodenkontakt kontert der Vierachser mit einer massiven Bodenschutzplatte und Stahlbügeln vor den Bremszylindern der Doppel-Hinterachse.
Das Schieben über die beiden Vorderachse ist bauartbedingt auch beim relativ weiten Abstand der beiden Vorderachsen nicht zu vermeiden. Allerdings sollte der Kunde die Option zur elektro-hydraulischen Lenkung nicht übersehen. Mit Hilfe der individuell abstufbaren Lenkunterstützung und Lenkstärke kann man die Steuerarbeit am Volant sehr individuell den eigenen Wünschen vom Zweifingerbetrieb bis „stramme Haltung“ einstellen. Dass die Lenkung sehr präzise und stoßfrei arbeitet, gehört bei Volvo schon seit längerem zum guten Ton.
Beide Bauarbeiter treten souverän auf
Die über 500 PS starke VEB+-Motorbremse trägt mit ihrer starken Leistung bei der schleichenden Talfahrt im Gelände ebenso wie auf der Straße zum souveränen Auftreten der beiden Volvo-Bauarbeiter bei. Nur der zu kurze Bedienhebel an der Lenksäule erscheint verbesserungsbedürftig und schmälert die Freude am Einsatz der ventilgesteuerten Zusatzbremse.
Nichts auszusetzen gibt es dafür an der Federung des Vierachsers. Vorn übernehmen dreilagige Federpakete den Job, das Fahrzeug leer wie auch beladen mit gesitteten Komfort gegen die Achsen abzustützen. Am Doppelachsaggregat hinten versieht sowohl beim Vierachser als auch beim 6x4 eine feine Bauluftfederung mit insgesamt acht Luftfederbälgen diesen Job. Damit ist auch bei Leerfahrt ein vergleichsweise hoher Fahrkomfort trotz der wuchtigen Außenplanetenachsen achtern möglich.
Das gut abgestimmte Zusammenspiel Blatt vorn und Luft an den Hinterachsen klappt anstandslos. Vorteil der Bauluftfederung: Bei Leerfahrt lässt sich die hintere Antriebsachse liften. Neben Verbrauchseinsparung reduziert sich damit bei bei den Test-Kandidaten der Wendekreis und steigert die Manövriertauglichkeit in engem Terrain.
Als passende Ausrüstung für den täglichen Baueinsatz stellen auch die Meiller-Kippbrücken ihre Bedienfreundlichkeit unter Beweis. Von den Münchner Kipperprofis ist man freilich nichts anderes gewohnt, sodass man dies als gegebene Qualität voraussetzen darf. Neu für den FMX ist allerdings die deutlich gestiegene Wohnqualität im Fahrerhaus. War dem Vorgänger mit seiner schräg stehenden Frontscheibe und dem noch wuchtigeren Motorkasten immer eine Enge wie ein italienischer Maßschuh zu eigen, so kann die Neuauflage des Bau-Spezialisten aus dem hohen Norden deutlich mehr auf die Komfortkarte setzen. Der Einstieg über drei beim 8x4 beziehungsweise vier Stufen beim 6x4 geht als akzeptabel steil und nicht zu hoch durch. Dafür sitzt man am Arbeitsplatz des FMX auf gutem Gestühl und blickt auf die aus dem FH bekannte Instrumentenlandschaft mit klaren, individuell einstellbaren Anzeigendisplays und handschuhtauglichen Schaltern.
Der Ausblick über die jetzt tiefer heruntergezogene Frontscheibe fällt sehr gut aus, die großen Seitenscheiben lassen sich aber nur zur Hälfte im Türblatt versenken. Dafür schränken die schmalen Spiegelgehäuse und die ebenso schlanken A-Säulen den Blick auf die Umgebung kaum ein. Eine Weitwinkelkamera im rechten Spiegelgehäuse liefert dazu ein entsprechend weit reichenden Überblick über die Beifahrerseite auf dem zweiten Anzeigedisplay – sowohl im Gelände als auch im Straßenverkehr sicher kein Nachteil.
Mehrwert für den Fahrer
Der Arbeitsplatz selbst ist im Vergleich zum alten FMX, der immer ein bisschen unter den Achseln seiner Fahrer gezwickt hat, großzügig genug, um dem Fahrer dauerhaft bei Kondition zu erhalten. Der 6x4 hat als potenzieller Langstreckentransporter für Schüttgut sogar noch eine komfortable Schlafliege hinter dem Fahrersitz zu bieten. Aber auch im kurzen Fahrerhaus des Vierachsers bleibt genug Stauraum für Stiefel, Helm, Jacke und das eine oder andere Werkzeug. Ein Stauschrank an der Kabinenrückwand birgt zusätzlichen Platz für Brotzeit, Papiere oder Zubehör. Der oft noch angeführte Durchstieg zur Beifahrerseite ist aber wegen des wuchtigen Motorkastens praktisch nicht üblich. Da steigt man besser aus und geht ums Fahrzeug.
An der Front fällt das robuste Stahlstoßstangengesicht mit den Prallplattenenden ins Auge – gemacht für grobes Geläuf. Ins Auge gehen könnte allenfalls das viel zu viel Offenheit bietende Gitterchen vor den serienmäßigen LED-Scheinwerfern. Hier findet schnell ein böser Stein seinen Weg ins Glas.
Lässt sich eine Wahl zwischen den beiden Fahrzeugkonzepten 6x4 mit Hänger und 8x4 treffen? Wir meinen: nein. Beide Fahrzeugkonfigurationen haben ihre ganz speziellen Vorzüge. Der 6x4 als klassischer Alleskönner auf Straße und leichtem Gelände, der mit seinem Tandemachstrailer 40 Tonnen bewegen kann und fallweise auch schwere Lasten ziehen darf. Auch für Überlandverkehr qualifiziert sich dieser komfortable FMX, ohne Gefahr, die Fahrer zu vergraulen. Der Vierachser mit zwei angetrieben AP-Achsen tummelt sich dagegen sehr gern im Gelände, wo er über erstaunliche Durchsteher-Qualitäten verfügt. Mit mehr als 17 Tonnen Zuladung schultert er wegen seiner soliden Konstruktion nur durchschnittlich viel. Er erweist sich als das deutlich wendigere und agilere Gefährt abseits der Straße. Da verbietet es sich fast, ihn mit einen angehängten Zentralachshänger einzubremsen.
Wohl dem Unternehmer, der beide FMX-Typen im Fuhrpark auffahren lässt. Damit erledigt er nicht nur die vielfältigsten Aufträge passgenau, sondern kann auch seinen Fahrern einen echten Mehrwert am Steuer bieten.
Der Beitrag erschien in Baugewerbe 10/22.
Technische Daten
Volvo FMX 500 6x4 Dreiseitenkipper
Motor
Motorbezeichnung D13K500
Bauart Sechszylinder-Reihenmotor mit Turboaufladung und Ladeluftkühlung, vier Ventile pro Zylinder, Common-Rail-Einspritzung (bis 2.400 bar)
Euro 6 Step E, AGR, DPF und SCR-Kat
Hubraum 12.777 cm³
Nennleistung 368 kW / 500 PS
bei 1.530-1.800/min
Max. Drehmoment 2.500 Nm
bei 980 bis 1.270/min
Dauerbremse EPG-Abgasbremse mit 200 kW bei 2.300/min,
VEB+ mit 375 kW bei 2.300/min
Kraftübertragung
Kupplung Einscheiben-Trockenkupplung, 430 mm
Getriebe Volvo I-Shift ATO2612F mit Kriechgängen, 12 Gänge, Crawler, 4+2 RG
Spreizung i=17,54 - 0,78
Achsen
Vorderachse Faustachse mit 3-Blatt-Parabelfedern,
Achslast: 8,0 t
Hinterachsen Außenplaneten-Doppelachse RTH2610F mit 8-Balg-Bauluftfederung, Achslast: 21,0 t, Differenzialsperren (längs + quer), Achslift
Übersetzung i=3,76
Fahrgestell
Rahmen Parallel-Leiterrahmen (8 mm)
Lenkung Elektrisch unterstützte Einkreis-Servolenkung, i=18,6:1, VDS Volvo Dynamic Steering
Bremsen vorn und hinten Scheibenbremsen, elektrische Feststellbremse, Impulsstreckbremse
Alu-Kraftstofftank rechts 350 Liter
Adblue-Tank 68 Liter
Maße und Gewichte
Länge/Breite/Höhe 7.740/2.550/3.350 mm
Radstand 3.400 + 1.370 mm
Bodenfreiheit vorn/hinten 367/354 + 362 mm
Leergewicht Solo-Lkw 12.925 kg
Nutzlast Solo-Lkw 13.075 kg
Testgewicht Zug 40.960 kg
Aufbau
Hersteller Meiller
Typ Dreiseitenkipper D316
Länge/Breite/Höhe Kippbrücke 4.900/2.380/900 mm
Zentralachs-Anhänger
Hersteller Meiller
Typ MZDA 18.23-B
Länge/Breite/Höhe 7.300/2.550/2.565 mm
Leergewicht/Nutzlast 4.430/13.570 kg
Volvo FMX 500 8x4 Dreiseitenkipper
Motor
Motorbezeichnung D13K500
Bauart Sechszylinder-Reihenmotor mit Turboaufladung und Ladeluftkühlung, vier Ventile pro Zylinder, Common-Rail-Einspritzung (bis 2.400 bar)
Euro 6 Step D/E, AGR, DPF und SCR-Kat
Hubraum 12.777 cm³
Nennleistung 368 kW / 500 PS
bei 1.530-1.800/min
Max. Drehmoment 2.500 Nm
bei 980 bis 1.270/min
Dauerbremse EPG-Abgasbremse mit 200 kW bei 2.300/min, VEB+ mit 375 kW bei 2.300/min
Kraftübertragung
Kupplung Einscheiben-Trockenkupplung, 430 mm
Getriebe Volvo I-Shift ATO2612F mit Kriechgängen, 12 Gänge, Crawler und Ultra-Crawler, 4+2 RG
Spreizung i=32,04 - 0,78
Achsen
Vorderachsen Faustachse mit 3-Blatt-Parabelfedern,
Achslast: 2 x 8,0 t
Hinterachsen Außenplaneten-Doppelachse RTH2610F mit 8-Balg-Bauluftfederung, Achslast: 21,0 t, Differenzialsperren (längs + quer), Achslift
Übersetzung i=3,33
Fahrgestell
Rahmen Parallel-Leiterrahmen (8 mm)
Lenkung Elektrisch unterstützte Einkreis-Servolenkung,
i=23,2:1, VDS Volvo Dynamic Steering Evolution
Bremsen vorn und hinten Scheibenbremsen, elektrische
Feststellbremse
Alu-Kraftstofftank rechts 275 Liter
Adblue-Tank 57 Liter
Maße und Gewichte
Länge/Breite/Höhe 8.725/2.550/3.330 mm
Radstand 4.350 mm
Bodenfreiheit vorn/hinten 375/365 mm
Leergewicht 14.780 kg
Nutzlast 17.220 kg
Zu. Gesamtgewicht 32.000 kg
Testgewicht: 32.660 kg
Aufbau
Hersteller Meiller
Typ Dreiseitenkipper D421
Länge/Breite/Höhe Kippbrücke 5.800/2.380/1.000 mm