Bau-Lkw

Probefahrt in Scanias Baugreif: ein Kipperfahrtest im Hunsrück

Seinen Fernverkehrsmodellen R und S stellt Scania die neue Generation Baufahrzeuge zur Seite. Für das Baugewerbe-Unternehmermagazin stieg Fachautor Günter Willwert in den G 450 XT 8x4. Während einer Probefahrt testete er den Fahrkomfort, den Antrieb und überzeugte sich von den Qualitäten des „Bau-Greifs“.

neue Generation Baufahrzeuge
Scania hat eine neue Generation Baufahrzeuge auf den Markt gebracht: Sie sind robust genug für grobe Einsätze und bieten guten Fahrkomfort. Fotos: Günter Willwert

Fällt der Name Scania, denken die meisten wahrscheinlich an die R- und S-Modelle, die der Hersteller 2016 auf der IAA in Hannover neu vorgestellt hatte. Mittlerweile haben die Schweden ihr Programm um die neue Generation-Baufahrzeuge erweitert. Eines ihrer Erkennungszeichen ist die neue Bezeichnung „XT“ – das steht für eine Ausstattungsvariante, die sich durch robustes Design auszeichnet und darauf verweisen soll, dass diese Greifs für harte Transportaufgaben entwickelt wurden.

robuste Front
Die robuste Front macht es deutlich: Die „Baugreifs“ von Scania wurden für harte Transportaufgaben entwickelt und bewähren sich in der rauen Welt von Kies- und Baugruben.

Die Baubranche ist alles andere als alltäglich, und das sollte auch für die dort eingesetzten Fahrzeuge gelten. Der von mir gefahrene Vierachskipper G 450 XT 8x4 erledigt Zulieferarbeiten auf dem Weg zur und in der Baustelle.

Typisch: der Scania-Look

Äußere Merkmale wie eine robustere Front weisen gleich auf den Einsatzzweck hin. Die neuen Scania-Baufahrzeuge lehnen sich optisch stark an ihre Vorgänger an. Dass die neuen Scania-Fahrerhäuser den alten tatsächlich aber in keinem Bauteil gleichen, fällt erst beim genauen Hinschauen auf. Im Vergleich zum Vorgänger sind die Fahrerhäuser größer und kantiger geworden, ohne ihren typischen Scania-Look zu verlieren. Neben robusten Spiegelgehäusen, gittergeschützten Scheinwerfern, einer Prallplatte unter dem Kühler und einer einteiligen kontaktfreudigen Stahlstoßstange trotzt der XT der oft rauen Welt der Kiesgrube.

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Überdies sitzt die Stahlstoßstange mit Nehmerqualitäten höher und um 15 Zentimeter nach vorne gestreckt im XT-Gesicht, um die empfindlichen Teile der Frontpartie ideal zu schützen.

Bequem: der treppenförmige Einstieg ins Fahrerhaus

Scania G 450 XT
Der Scania G 450 XT macht auch im Gelände eine gute Figur.

Die kompakte G-Nahverkehrskabine sitzt relativ tief auf dem Rahmen – der Einstieg auf 1,45 m Höhe gestaltet sich über vier Scania typisch angeordnete Stufen bequem. Mit der Konsequenz, dass die mit 32 cm recht tiefsitzende flexible erste Stufe bei Auffahrten schnell über den Boden schrammt.

Auspuffendrohr
Nicht so schön: Auspuffendrohr bläst nach unten.

Mit satt schließenden Türen und der wertigen Ausstattung macht das G-Fahrerhaus mit maßgenauem Raumangebot der schwedischen Marke alle Ehre. Der etwas höhere Motortunnel, der 33 cm in die Kabine ragt, macht ein Übersteigen zur Beifahrerseite noch möglich. Auch das Armaturenbrett ist bekannt aus R und S – das Scania-Baukastenprinzip macht es möglich. Bedienung, Haptik der Schalter und Lenkradposition sind vorbildlich. Durch eine neue Fahrerplatzpositionierung (etwas nach vorne und 20 mm nach links außen) und einem tiefer gesetzten Armaturenbrett sowie maximierten Scheiben ist die Sicht noch besser. Hinzu kommen große geschlossene Ablagefächer über der Windschutzscheibe und ein von außen auf der rechten Seite zugängliches Staufach sowie geschickt platzierte Ablagen, Schubladen, Flaschenhalter im direkten Fahrerumfeld. Auf Wunsch lässt sich eine klappbare Ruheliege ordern.

Vollgetankt 14.100 kg schwer

Scania hat mit dem jüngst getesteten G 450 XT einen Vierachser mit nur 9.900 kg Chassisgewicht konfiguriert. Hinzu kommt ein Meiller-Dreiseitenkipper mit Bordmatic in Stahlausführung; somit wiegt unser Vierachser vollgetankt 14.100 kg – ein ziemlich beachtlicher Wert. Bei einem Solo-Gesamtgewicht von 32 Tonnen hat der schwedische Vierachser mit seinem stämmigen DC 13-Sechszylinder unter der Kabine mit 12,7 Liter „Hubraum satt“.

Schon bei 800 Umdrehungen legt sich der leise DC 13 ins Zeug, ab 1.000 Touren stemmt er bis zu 2.350 Nm auf die Welle – genug fürs Anfahren am Berg oder im Gelände. Und volle Leistung gibt es schon bei 1.300 Touren. Der 13-Liter-Motor hält in jeder Situation noch enorme Reserven in petto. Auf den Fahrbefehl per Gaspedal reagiert der Scania spontan, legt linear zu und kommt im Alltag ohne hohe Drehzahlen aus.

Beim sparsamen SCR-only Euro-6-Motor der neuen Generation profitieren jetzt auch Baufahrzeuge vom Weglassen jeglicher Abgasrückführung (AGR). Das spart circa 40 kg Gewicht, und der Dieselverbrauch sinkt etwas.

Praxistest im Hunsrück

Bauauftritt
Der Bauauftritt ermöglicht einen guten Überstieg zur Kipperbrücke. Dass das gut gelingt, davon überzeugt sich Peter Breitbach, Pressetester und Berater von Scania Deutschland, selbst.

Bei unserem Praxistest auf einer topographisch anspruchsvollen Strecke durch den Hunsrück lag der Verbrauch auf der Landstraße bei 37,6 l/100 km, bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 45 km/h. Um das zu erreichen, muss man das Opticruise-Getriebe allerdings in den manuellen Modus schalten, denn es ist selbstredend auf eine drehmomentorientierte, verbrauchsfreundliche Fahrweise gepolt und leitet deshalb nie später als bei 1.500/Umin eine Hochschaltung ein. Wäre auch unnötig, denn das maximale Drehmoment steht ab 1000/min bereit, genug um die 32 Tonnen schwere Testfuhre jederzeit auf Tempo zu halten. Wird trotzdem eine Rückschaltung fällig, erledigt Scanias automatisierte Schaltung diese mit hoher Geschwindigkeit und zum passenden Zeitpunkt.

Auch an der Kupplungs-Steuerung legten die schwedischen Entwickler im Vergleich zum Vorgänger nochmals Hand an und beim Beschleunigen bremst die Vorgelegewellenbremse die Zahnräder gezielt ab, damit die Gänge schneller einrücken können. Die neue Vorgelegewellenbremse gehört beim automatisierten Scania Opticruise-Getriebe zur Serienausstattung. Sie synchronisiert die unterschiedlichen Drehzahlen der Vorgelege- und Hauptwelle im Getriebe. Dies führt nicht nur zu einer deutlich kürzeren Schaltzeit, sondern auch dazu, dass der Ladedruck besser aufrechterhalten werden kann. Das Getriebe schaltet somit präziser in den nächsthöheren Gang bei gleichzeitig weicheren Schaltübergängen.

Abseits befestigter Straßen bemüht man besser den Off-Road-Modus, der die Schaltgänge nochmals beschleunigt und die Zahl der Schaltvorgänge auf ein Minimum reduziert. Die Kupplung bleibt fast bis zum Stillstand zu und öffnet dann erst im letzten Moment.

Mit Tempomat: bequemer unterwegs auf Autobahnen und Bundesstraßen

Kraftpaket
Ein Kraftpaket: Der DC-13-Reihenmotor mit 450 PS und 2.350 Nm.

Schützenhilfe erhält Opticruise zudem vom GPS-Tempomaten CCAP. Vor knackigeren Steigungen beschleunigt der Lkw selbstständig über das eingestellte Tempo, wenn die Berechnungen der Elektronik zu dem Schluss kommen, das so nicht zurückgeschaltet werden muss.

Auf der Landstraße wählten wir den Standardmodus mit Unterschwingern von sechs Prozent. So bleibt dem System genügend Freiraum, um die Streckentopografie zu nutzen. Seinen Vorteil spielt der GPS-Tempomat da aus, wo man ihn richtig einsetzen kann – auf Autobahnen und gut ausgebauten Bundesstraßen. Bei anspruchsvollen und kurvigen Landstraßen macht er keinen Sinn.

Mithilfe modernster Algorithmen ermittelt das System die jeweilige Schalt- und Geschwindigkeit-Strategie. Ziel ist, die Bewegungs-Energie optimal auszunutzen, so lange wie möglich in Neutralstellung (Eco-Roll) zu rollen und möglichst wenig Treibstoff zu verbrauchen. Bei Eco-Roll handelt es sich um ein autonom arbeitendes Programm, das den Zeitpunkt errechnet, an dem es sich lohnt, längere Gefälle strecken im Leerlauf hinunterzurollen oder bei abgeschalteter Kraftstoffzufuhr die Schubphase zu nutzen.

Zur Sparsamkeit erzogen

Weil der Scania zu sparsamer Kraftstoffentnahme erzogen ist, fährt er mit extrem niedrigen Drehzahlen, die der starke Motor auch locker wegsteckt. 1.150 Touren zeigt der Drehzahlmesser bei Tempo 80, im großen Gang fährt man 60 km/h – mit 850 Umdrehungen. Mit der Konsequenz, dass der Scania an der Tankstelle knausert, ohne bei den Fahrleistungen zu schwächeln.

Die ellenlange Achsübersetzung (3,67) macht sich auch im Gelände, wenn es ungemütlich wird, nicht sonderlich bemerkbar, weil Scania über zwei Crawler (2.2 km/h und 3.5 km/h) verfügt, die unter dem ersten Gang angesiedelt sind. Da passt es trefflich, dass sich auch die Betriebsgeräusche leise im Hintergrund halten – nur die dröhnigen Reifen patzen etwas.

Bewährt sich on- und offroad

Frontaufstieg
Der breite Frontaufstieg erweist sich als nützlich für sicheres Scheibenputzen.

Große Baufahrzeug-Kompetenz beweist der vierachsige Scania mit seinem Fahrwerk. Im Test bewährt es sich sowohl on- wie auch offroad. Bei Leerfahrten peinigt der Vierachser weder Fahrer noch Fahrzeug, beladen wankt er nicht tief mit seinen Vierblatt hinten und Zweiblatt-Parabelfedern vorne. Auf der Straße hält der Scania gelassen und zielsicher die Spur – bei der die Lenkung hält er noch immer die Messlatte hoch. Positiv auch der Spurassistent, der erst beim Überfahren der rechten Seitenlinie dezent anschlägt und den deshalb vielleicht weniger Fahrer abschalten werden.

Was weniger gefällt ist der nach unten verlegte Auspuff mit einem Endrohr, das nach unten bläst, und somit bei nicht besenreinen Wegen für viel Staub sorgt. Mit den Scheibenbremsen, die sehr feinfühlig ansprechen, verzögert der schwedische Kipper auf jedem Untergrund hervorragend. Auf die Bremsleistung von 4.100 Nm starken Retarders R4100D kann man sich jederzeit verlassen. Im 32-Tonner ist er meistens unterfordert.

Fazit

Der Scania G 450 XT sieht aus wie ein Bauprofi und hält, was er verspricht. Er wiegt nicht zu viel und ist doch robust genug für grobe Einsätze. Das stärkste Argument ist der gute Fahrkomfort und das gute Zusammenspiel zwischen DC-13-Motor und dem automatisierten Scania Opticruise-Getriebe.

Günter Willwert

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